Viele werden sich bestimmt noch an die Fernsehwerbung aus den 90er Jahren erinnern, in der sich zwei Bekannte nach längerer Zeit wieder einmal treffen und einer der beiden seinem Gegenüber mit den Worten “Mein Haus, mein Auto, mein Boot” Fotos präsentiert, woraufhin der andere zunächst etwas betreten dreinblickt, dann allerdings selbst Bilder auf den Tisch legt, die die Errungenschaften des Ersten doch recht mittelmäßig aussehen lassen.
Solches Imponier- und Konkurrenzverhalten lässt sich auch schon im Kleinkindalter beobachten. Hier heißt es dann einfach: “Mein Spielzeugauto fährt schneller, mein Legohaus ist größer, mein Schiff ist ferngesteuert.” Doch was bringt Kinder (und Erwachsene) dazu, sich immer wieder mit anderen messen zu müssen – und wie sollen Eltern damit umgehen?
Im Hinblick auf die Ursachen ist zunächst ein kurzer Ausflug in die Pflanzen- und Tierwelt aufschlussreich. Denn nicht nur der Mensch, sondern alle Lebewesen konkurrieren miteinander – ob es der Pfau ist, der stolz sein Rad präsentiert, oder die Orchideenart, die unter Vortäuschung falscher Tatsachen (sie gibt mit Hilfe eines Duftstoffes vor, ein Insektenweibchen zu sein) Männchen anlockt. Auch aus evolutionstheoretischer Sicht erscheint der Konkurrenzkampf verständlich, ging es doch schon immer darum, sich im Überlebenskampf gegenüber anderen zu behaupten. Aber so weit zurück muss man gar nicht gehen, um Gründe für das Bestreben zu finden, sich selbst als den Besten darzustellen. Während Säuglingen zunächst durch das Kindchenschema die Aufmerksamkeit der Eltern sicher ist, verliert sich dieses im Laufe der Zeit und Kinder merken sehr schnell, dass sie sich andere Strategien einfallen lassen müssen, um sich von anderen abzuheben.
Naturgemäß treten Konkurrenzsituationen sehr häufig bei Geschwisterkindern auf, da diese ja viel Zeit miteinander verbringen. Nimmt das Verhalten nicht überhand, lässt man es am besten unkommentiert, da die Erfahrung, sich gegenüber anderen zu behaupten, für Kinder notwendig ist. Eingreifen sollte man aber, wenn die Situationen sehr einseitig werden, d.h. wenn sich ein Geschwisterkind immer als das Überlegene darstellt und das andere keine Chance erhält, auch einmal der Bessere zu sein. Hilfreich kann es hier sein, den Kindern zu zeigen, dass es – gerade was die Fähigkeiten und Fertigkeiten angeht – Bereiche gibt, die sich aufgrund des unterschiedlichen Alters nicht vergleichen lassen. Betrachtet man beispielsweise mit dem älteren Kind ein Bild, das es gemalt hat, als es im Alter des Jüngeren war, so wird es schnell feststellen, dass das Kunstwerk auch noch nicht so gut gelungen ist wie ein aktuelles Bild. So lernt das Kind zu verstehen, dass man sich immer weiterentwickelt und dass es im Vergleich zum jüngeren Geschwisterkind einfach einen Altersvorsprung hat.
Außerdem sollte man deutlich machen, dass es auch viele Situationen gibt, in denen ein “Wettkampf” fehl am Platz ist. Als Beispiele kann man hier die Mahlzeiten (“Ich bin schneller mit dem Essen fertig!”) oder Gefahrensituationen nennen.
Und es ist auch in Ordnung, daß Geschwister lernen, daß sie verschiedene Stärken, und auch Schwächen, haben. Wenn einer also einfach besser im Sport ist, der andere dafür musikalischer, ist das in Ordnung und gut!
B.E.
Die Kinderärzte danken unserer Gastautorin Birgitt Ehlenberger, erfahrene Gymnasialpädagogin, für diesen Beitrag.
DrS