Aktuell läuft eine Debatte über das frühzeitige, routinemäßige Screening Schwangerer hinsichtlich eines Down-Syndroms beim Ungeborenen und ob dieser Test von den Krankenkassen bezahlt werden soll. Durch eine Blutentnahme bei der Mutter kann eine Trisomie des Kindes festgestellt werden. Viele Fragen wirft dieses Thema auf, für den einzelnen, aber auch für die gesamte Gesellschaft und das Gesundheitssystem. Der positive Test führt zu Wissen. Das Ergebnis eröffnet aber keine Behandlungsoption, sondern nur die Möglichkeit zu einer Entscheidung bezüglich eines Schwangerschaftsabbruchs. Der Test gibt auch keine Aussagen über Komplikationen oder tatsächlich vorliegende Erkrankungen wie etwa Herzfehler.
Auf der einen Seite: Kinder mit Erkrankungen oder Behinderungen stellen Eltern vor große Herausforderungen. Kinder mit Trisomie 21 fordern viel Betreuung, Zeit und Aufwand. Die Kinder haben ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten. Keine Frage. Und ja: Über die Entscheidungen betroffener Schwangerer bzw. Eltern sollten Außenstehende nicht urteilen.
Auf der anderen Seite sehen wir in der Praxis viele Kinder mit Downsyndrom – Kinder, die ihr Leben lieben wie jedes andere Kind auch. Kinder, die genauso Lebensqualität empfinden wie jeder andere Mensch und die ihrer Umgebung sehr wohl auch Wertvolles zu geben haben – wie jeder andere Mensch auch. Kurz, es sind normale Menschen, mit der Besonderheit ihrer Trisomie. Mit welcher Begründung wäre diesen Kindern das Recht auf ihr Leben abzusprechen? Behinderung ist übrigens auch keine Krankheit, die es zu behandeln gälte.
Es stellen sich viele Fragen. Wertet die Gesellschaft die Menschen mit Downsyndrom mit einem solchen Test ab? Jenseits des Downsyndroms muss die Gesellschaft sich generell fragen, was an Erkrankungen oder Abweichungen man testen und nicht zulassen will, wenn solche Tests im Konsens allgemein angewendet werden. Wo sind die Grenzen? Inwieweit werden Eltern, die sich entscheiden, ein betroffenes Kind zu bekommen, stigmatisiert? Werden unbeschwerte Schwangerschaften unmöglich gemacht? Wird eine Beratung der Schwangeren, wenn immer mehr Tests erfolgen, irgendwann noch sinnvoll möglich sein? Es geht um grundlegende Fragen des Menschseins, Elternseins, Schwangerschaft, Solidarität und Ethik. Wie wollen wir mögliche Techniken nützen? Sollten solche Fragen nicht vor der offiziellen Förderung der Entwicklung und der Einführung von solchen Tests geklärt werden?
Hier soll auf diese Fragen keine Antwort gegeben werden, aber als Kinderärzte wollen wir dennoch einen Denkanstoß geben. Die Gesellschaft, die Politik und jeder einzelne muss entscheiden, wie sie antworten würden und welchen Weg wir gehen wollen.
Jedenfalls sollten wir zuallererst auf die Betroffenen hören und sie fragen! Darum zum Schluss ein Zitat des Schauspielers Sebastian Urbanski, selbst Trisomie 21-Träger, geäußert im Rahmen eines Interviews: “Also ich empfinde mich eigentlich als normal. Durch die Entwicklung, die ich durchgemacht habe, dank meiner großartigen und lieben Eltern und natürlich meiner großartigen Chefin (…), kann ich, können auch meine Freunde hier am Theater zeigen, dass auch Menschen mit Down-Syndrom zu sehr viel in der Lage sind. Wir beweisen, dass ihnen alle Türen offen stehen.”
Veröffentlicht am 10. Oktober 2016
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