Hut ab, was manche Familien schultern.
Nach der Sprechstunde geht es noch los zu einem Hausbesuch. Die Familie wohnt in einem kleinen Dorf auf dem Land. Unsere kleine Patientin, wir nennen sie an dieser Stelle einmal Klara, ist ein schwer krankes Mädchen, muss beatmet werden und braucht rund um die Uhr medizinische und pflegerische Betreuung. Die Eltern kümmern sich liebe- und aufopferungsvoll um ihre Tochter, ein Pflegedienst unterstützt sie nachts. Klara muss oft abgesaugt werden, hat oft Schmerzen, Krampfanfälle treten fast täglich auf. Häufige Klinikaufenthalte bestimmen den Alltag ebenso wie auch viel Bürokratie und Korrespondenz mit der Krankenkasse. Oft werden die Kosten für Hilfsmittel nicht übernommen, steriles Wasser (notwendig für das Beatmungsgerät) ist zum Beispiel schon ein Problem. Bei den Therapien stehen die Eltern vor dem Problem, dass längst nicht alle Therapeuten bereit sind, die Fahrten für Hausbesuche auf sich zu nehmen. Und dennoch: keine Verbitterung ist zu spüren! Bewundernswert meistern Klaras Eltern jeden Tag, mit allen Hochs und Tiefs. Klaras große Schwester kommt auch zu ihrem Recht und es wird auch viel gelacht in der Familie. Und manchmal auch geweint. Ich habe hier ein fiktives Beispiel geschildert, das die erlebte Realität im Praxisalltag aber recht gut widerspiegelt!
Oft tief berührt und mit großem Respekt denke ich an meine Patienten und wünsche den Familien weiter viel Kraft und Unterstützung auf ihrem Weg.
Veröffentlicht am 30. April 2020
Manchmal frage ich mich, wie man als Arzt die Not,die man sieht, aushalten kann. Wie man das verarbeiten kann.
Ärzte sind keine Übermenschen. Es gehört zur ärztlichen Tätigkeit aber schon dazu, daß man Patienten auch in Gedanken mit nach Hause nimmt und einen die Schicksale der Patienten bewegen. Das ist bis zu einem gewissen Grad in Ordnung, zumindest, wie ich es verstehe und lebe. Aber man muß auch lernen, sich soweit abzugrenzen, daß einem die mitmenschliche Anteilnahme nicht zuviel Kraft kostet oder gar die nötige ärztliche Objektivität bei der Behandlung verhindert. Jeder Arzt wird da in Graduierungen anders sein. Ansonsten sind Familie bzw. Menschen, die einen stützen und für gute Gespräche da sind, Glaube, Zeit für Reflexion, Sport, Musik, Kunst, Hobbies und sonstiger Ausgleich natürlich enorm wichtig.