Erziehung
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Die “Magnetmutter” – und was ein “magnetisches Störfeld” für das Kind bedeutet

Da war sie wieder. Die Magnetmutter. Für mich quasi der Vorläufer der Helikoptermutter.

Und bevor ich Euch die Magnetmutter näher bringe, zunächst die Anmerkung, dass es wahrscheinlich auch Magnetväter gibt, auch wenn mir diese noch nicht begegnet sind. Wenn ihr den Text einem Magnetvater zeigen wollt, dann dürft Ihr das Wort „Mutter“ im Text gerne gegen „Vater“ austauschen.

Was macht denn also ein Magnet aus? Zum Beispiel in der Nähe einer kleinen biegsamen Büroklammer. Sobald es nur in die Spürweite kommt, zieht es die kleine Büroklammer an sich. Zack. Physikalisch. Immer. Ausnahmslos. Eine magische Kraft.

Und genau diese Mütter gibt es, die genau das bei Ihren Kindern auslösen. Sobald die Mutter anwesend ist, zieht es das Kind hin. Zack. Auf den Schoß. An den (imaginären) Rockzipfel. Vergessen sind die junge Selbständigkeit und die Selbstwahrnehmung. Vergessen sind die Spielkameraden oder die augenblickliche Beschäftigung. Die Mutter zieht das Kind magisch an.

Ja. Es geht Kraft vom Magneten aus. Von der Mutter. Bei jedem Kind. Das ist ja das Geheimnis auch jeder starken und gesunden Eltern-Kind-Bindung. Eine gesunde Bindung ist aber auch ohne Magnetismus wirksam und hat kein störendes Magnetfeld, sondern ein gutes, förderndes Energiefeld. Sie hilft zu Selbständigkeit durch die Sicherheit. Bei Magnetmuttis ist das anders. Da stört das Magnetfeld der Mutter bei ihrem Erscheinen sofort das Wirkungsfeld des Kindes. Sichtbar. Für andere.

Natürlich sind Kinder unterschiedlich. Manche brauchen (gefühlt) mehr Schutz als andere. Aber – ist das wirklich so? Oder hält der Magnetismus nicht das Kind klein und in genau dieser Rolle?

Und natürlich macht keine Mutter der Welt das aus bösem Willen. Trotzdem – die Folgen können ungünstig sein. Denn die Rollenverteilung in dieser Konstellation verzögert eine starke Selbstentwicklung und kann spätere Angststörungen begünstigen, etwa wenn die Ablösung zwingend wird. Nur der Magnet selbst kann das Verhalten in diesen Rollen revidieren und dadurch dem Kind mehr Freiraum einräumen und Selbständigkeit und damit die Entwicklung fördern.

Welche Elemente hat den dieser Magnetismus nun im Detail? Woran erkennt man ihn? Wie immer in solchen Prozessen auf Beziehungsebene sind die Details subtil und ergeben nur in der Summe die Wirkung.

Ein paar Beispiele:

  • Die Mutter genießt das Zulaufen des Kindes. Sie erlebt es als befriedigend.
  • Die Mutter umschließt auch in höherem Alter altersuntypisch das Kind wie ein Baby.
  • Die Mutter hat Zweifel daran, ob ein Kind etwas alleine schafft, obwohl es dafür keine rationalen Gründe gibt. „Sie (er) kann niemals alleine bei der Oma übernachten“
  • Die Mutter signalisiert mit Worten oder (meist noch deutlicher) mit der Körpersprache, dass sie das Kind bei sich erwartet. Beispiel: „Hallo, die Mama ist da.“

Jedes Beispiel für sich muss nicht auffällig sein. Aber in der Summe und in der Stärke kann es einen Magnetismus auslösen, der im Grunde einem dient: das Kind nicht loslassen zu müssen und es eng zu kontrollieren. Dahinter können viele Gründe stehen, von der eigenen Unsicherheit und vielleicht sogar Angsterkrankung über ein schlichtes Genussmoment bis hin zu schwierigen Konstellationen wie dem Partnerersatz. Eines gilt meist: Selten lässt sich das störende Magnetfeld so einfach abschalten wie ein Elektromagnet, denn es hat den Ursprung oft in der eigenen Geschichte der Mutter.

Wenn Sie nun das Gefühl haben, dass das in Ihrer Mutter-Kind-Beziehung droht, dann sprechen Sie mit Fachleuten. Mit dem Kinderarzt, Pädagogen oder Psychologen. Oder gehen Sie zu einer geeigneten systemischen Beratungsstelle. Es geht viel viel mehr um die spätere Lebensqualität Ihres Kindes, als Sie ahnen.

 

 

Abbildung: Wikipedia. Verändert unter der Lizenz: www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

 

Kategorie: Erziehung

von

Dr. med. Gerald Hofner

Dr. Gerald Hofner war kinderkardiologischer Oberarzt der Universitätskinderklinik Erlangen-Nürnberg, bevor er 2003 in eine neue Praxis in Neudrossenfeld und Bayreuth wechselte. Sein Fokus liegt auch dort auf der Schwerpunktversorgung für Kinderkardiologie, Kinderpneumologie, Jugendsportmedizin und Ernährungsmedizin, besonders unter dem Aspekt der Prävention. Ihm ist dabei wichtig, die Erkenntnisse der Wissenschaft praktisch und verständlich zu den Patienten und ihren Familien zu bringen. Als Vater von zwei Töchtern weiß er um die Probleme von Familie. Seit 2019 ist er außerdem verantwortlich für die beiden neuen Medizinprodukte FrioQuick® Kühlpflaster und RhinoQuick® Schnupfenpflaster in Deutschland - sanfte und effektive Therapie. Dr. Gerald Hofner hat einen Lehrauftrag der Universität Bayreuth angenommen.

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