Buchtipp, Praxis
Schreibe einen Kommentar

Unsere „Geliebte Ronja“ – eine ehrliche Erfahrung und deshalb so gut

Der heutige Blogbeitrag weicht ein wenig ab von den bisher gewohnten. Es gibt nicht viel Medizinisches. Heute geht es um die persönliche Erfahrung einer Familie. Am Ende steht ein aktueller Buch-Tipp.

Als Kinderkardiologe hat man verhältnismäßig oft mit dem Down-Syndrom zu tun. Einfach, weil Kinder mit Down-Syndrom häufig an Herzfehlern leiden.

Als Kinderkardiologe hat man in der Praxis aber auch kaum die Zeit, das zu erfassen, was bei den Eltern noch mitschwingt, wenn sie ernsthafte Diagnosen mitgeteilt bekommen. Nicht nur bei Down-Syndrom-Kindern, aber da natürlich besonders.

Die ganze Fülle an Emotionen und rationalen Abwägungen durfte ich nun in einem Fall lesen, nämlich im Fall der kleinen Ronja. Ihre Mutter hat die bisherige Geschichte der Familie mit Ronja als absolut lesenswertes Buch veröffentlicht. „Geliebte Ronja“, erschienen im Kösel-Verlag.

Zur Autorin:

Gundula Rath-Bingart, geb. 1985, beschäftigte sich schon während ihres Studiums der Philosophie, Geschichte und Islamwissenschaft intensiv mit den damaligen Debatten zur Präimplantationsdiagnostik. Sie lebt mit ihrem Partner in Bayreuth, 2017 wurde sie schwanger. Nachdem sie erfahren hatte, dass ihre Tochter mit einer Trisomie 21 und einem Herzfehler auf die Welt kommen würde, begann Gundula Rath den Blog »Geliebte Ronja« zu schreiben.

Mich hat das Buch beeindruckt. Es ist mit einer großen Ehrlichkeit und Sachlichkeit geschrieben und tangiert nicht nur die Erkrankung, sondern auch allgemeine Themen des Elternseins (Arbeitsteilung, Erziehung, etc). Auch philosophische Betrachtungen  kommen nicht zu kurz: Was ist denn überhaupt normal?!

„Ronja ist ein absolutes Wunschkind und ganz wunderbar. Sie hat bezaubernde blonde Locken, das süßeste Lachen – und das Downsyndrom. In der 26. Schwangerschaftswoche erfuhren ihre Eltern, das Ronja mit einem Chromosom zu viel und einem löchrigen Herzen auf die Welt kommen würde. Alle Vorstellungen und Erwartungen, die sie für ihr Leben mit Baby hatten, wurden auf den Kopf gestellt. Trotzdem war schnell klar: Ronja wird geliebt und ist willkommen, genau wie sie ist.

Mit großer Offenheit und voller Optimismus schreibt Gundula Rath-Bingart über die ersten zwei Jahre mit ihrer besonderen kleinen Tochter. Und sie stellt fest: Ihr Alltag ist meistens genauso wundervoll und wenig normal wie bei vielen anderen jungen Eltern auch. Schwierig wird es vor allem dann, wenn die Bürokratie unsinnige Hürden aufstellt oder Vorurteile anderer die Eltern behinderter Kinder in eine ungewollte Rechtfertigungshaltung drängen. Dagegen wehrt Ronjas Mutter sich selbstbewusst. Was ist schließlich schon normal? Und wer definiert das?

Dieses Buch will anderen Eltern Mut machen. Ein moderner, positiver Blick auf das Eltern- und Muttersein, Pränataldiagnostik und unseren Umgang mit Menschen mit Behinderung.“

Ich möchte Euch hier auch das Interview mit der Autorin nicht vorenthalten:

Gerade ist Ihr Buch erschienen. Was würden Sie Ihren Leser*innen gerne mitgeben?

Mein Buch richtet sich an Paare in der Familienplanung, an Großeltern, Freunde und Bekannte, aber auch an alle Menschen, die sich ein aktuelles Bild vom Downsyndrom machen möchten. Ich möchte einer größeren Zielgruppe das zeigen, was Ronja durch ihre schiere Existenz den Menschen in unserem nahen Umfeld bereits vermittelt: Dass sie und ihr Downsyndrom ganz normal dazugehören. Dass vieles sehr viel normaler läuft als man so denkt. Und dass Ronja das Beste ist, was uns passieren konnte.

Sie haben in der Schwangerschaft erfahren, dass Ihr Kind mit Downsyndrom auf die Welt kommen würde. Können Eltern sich auf so eine Diagnose vorbereiten?

Zu hören, dass das eigene Kind “anders” werden wird als erwartet, ist zunächst immer ein Schock. Darauf kann man sich emotional kaum vorbereiten.

Es hilft werdenden Eltern aber, frühzeitig miteinander darüber zu sprechen, wie sie mit einer etwaigen Diagnose umgehen möchten.

Es gibt keine Therapie – nur die Entscheidung für oder gegen das Kind. Von dieser Entscheidung ist dann auch abhängig, welche vorgeburtlichen Tests man machen möchte und welche nicht. Wenn Paare hier miteinander und auch mit ihren Ärzten Klarheit schaffen, ist es im Falle einer Diagnose leichter.

Ronja ist jetzt drei Jahre alt. Wie geht es Ihrer Familie heute?

Es geht uns gut. Wir haben einen putzmunteren blonden Lockenschopf, der die Menschen liebt und die Welt entdeckt.

Was uns immer wieder aus der Bahn wirft, sind die bürokratischen Hürden. Nicht das Downsyndrom ist die Belastung, sondern all die Anträge und Widersprüche, die es braucht, um einen Behindertenausweis, einen Pflegegrad oder auch nur einen Krippenplatz zu bekommen. Hier muss sich noch sehr viel tun. Auch darum geht es in meinem Buch: Der aktuelle Zustand sendet das fatale Signal, dass Kinder mit Downsyndrom politisch nicht willkommen sind.

Wenn jemand neugierig geworden ist:

Gundula Rath-Bingart, Geliebte Ronja, Kösel-Verlag, ISBN 978-3-466-37263-8

 

 

Kategorie: Buchtipp, Praxis

von

Dr. med. Gerald Hofner

Dr. Gerald Hofner war kinderkardiologischer Oberarzt der Universitätskinderklinik Erlangen-Nürnberg, bevor er 2003 in eine neue Praxis in Neudrossenfeld und Bayreuth wechselte. Sein Fokus liegt auch dort auf der Schwerpunktversorgung für Kinderkardiologie, Kinderpneumologie, Jugendsportmedizin und Ernährungsmedizin, besonders unter dem Aspekt der Prävention. Ihm ist dabei wichtig, die Erkenntnisse der Wissenschaft praktisch und verständlich zu den Patienten und ihren Familien zu bringen. Als Vater von zwei Töchtern weiß er um die Probleme von Familie. Seit 2019 ist er außerdem verantwortlich für die beiden neuen Medizinprodukte FrioQuick® Kühlpflaster und RhinoQuick® Schnupfenpflaster in Deutschland - sanfte und effektive Therapie. Dr. Gerald Hofner hat einen Lehrauftrag der Universität Bayreuth angenommen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert