Eltern haben sich bei Elternabenden und in Umfragen mit überzeugender Mehrheit dafür ausgesprochen: Schulen sollten offen bleiben. Insbesondere Grundschulen. Und jetzt gibt es Diskussion, ob die Ansteckungsfähigkeit nicht doch zu groß ist in geschlossenen Räumen. Und wie man mit den Familien außenherum umgeht.
Aber es gibt gute Gründe für eine Fortsetzung des Schulunterrichts.
Zunächst aus infektiologischer Sicht:
- Eine größerer Pandemie-Treiber (Stichwort: Superspreader) ist durch Kinder im Grundschulalter noch nicht bekannt geworden
- Kinder haben auch bei SARS-CoV2-Infektion in der Regel milde Verläufe. Selbst für herzkranke Kinder oder bei Asthmatikern wird in sehr seltenen Ausnahmen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf angenommen. Für diese Kinder braucht es Einzelfallregelungen. Was wir in unseren Praxen auch tun.
- Antikörperuntersuchungen zeigen, dass Kinder schon viel häufiger (in einer Bayerischen Studie) eine SARS-CoV2-Infektion still durchgemacht haben als das bisher bekannt war
Und aus sozialer und psychologischer Sicht:
- Kinder brauchen für eine normale Entwicklung Ihrer Fähigkeiten ein gutes Umfeld, das sie anregt. Bewegung. Kommunikation. Online-Unterricht reicht da nicht aus.
- Kinder brauchen Bildung. Bei online- oder Heimunterricht hängt der Erwerb von Wissen und Verständnis an der Qualität der elterlichen Fähigkeiten. Das würde die Bildungsunterschiede zwischen den Elternhäusern der unterschiedlichen sozialen Schichten weiter verstärken. Und nicht einmal Eltern mit Abitur können wirklich alles gut und richtig verstehen und schon gar nicht immer richtig weitergeben und erklären.
- Eltern wollen und müssen arbeiten. Hier spielt sicher der finanzielle Aspekt eine Rolle.
- Die Eltern sind vielfach an der eigenen Belastbarkeitsgrenze, wie wir immer wieder in der Praxis mitbekommen. Noch nie habe ich so viele weinende Mütter (bisher noch keine Väter) in der Praxis gesehen.
- Kindesmisshandlungen haben während der Pandemie seit Februar 2020 zugenommen, vor allem, wenn die Kinder keine Kontaktmöglichkeiten außerhalb der Wohnung hatten.
- Die latente Angst, die die Kinder spüren, wird durch Isolation weiter verstärkt. Zusammen begünstigt die Pandemie sogenannte Belastungsstörungen, also psychische Erkrankungen. Diese können auch weiteres nach sich ziehen, etwa Essstörungen oder Depressionen. Schule gibt einen normalen Rhythmus, der diesbezüglich vorbeugend wirkt.
Und welche Risiken bestehen?
Natürlich müssen die Risiko-Menschen beschützt werden. Das ist im Kindesalter glücklicherweise sehr selten. Aber Kontaktpersonen in der Familie und Lehrer*innen können Risiken für schwere Verläufe von COVID19 haben. Hier wären technische und hygienische Risikoreduktion und Kontaktvermeidung sinnvoll. Zu behaupten, dies könnte das Risiko komplett ausschalten, wäre gelogen. Und ob dies bei geschlossenen Schulen anders wäre, wenn sich die Kinder dann etwa privat treffen, ist fraglich.
In der Abwägung aller bekannt gewordener Daten plädiere ich dafür, die Schulen so lange wie möglich offen zu lassen, notfalls mit Luftfiltern, Lüften und Masken. Letztere sind Kindern für die Zeit der Schule zuzumuten. Es gibt bei der sachgerechten Auswahl der Masken praktisch keine echten medizinischen Gründe dagegen. Die Notwendigkeit der Schule und der Vorteil eines halbwegs geregelten Schulunterrichts wiegen höher.
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen