Alle Artikel in: Entwicklung

Themen rund um die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen

Erkennen wir überhaupt, wenn unsere Kinder Stress haben?

Ein Artikel, bewusst kurz vor den Zwischenzeugnissen. Die Forscher sind sich einig: Kinder waren körperlich noch nie so gesund und so gut medizinisch überwacht wie heute. Die psychische und emotionale Gesundheit zeichnet da leider ein anderes Bild. Kinder waren leider auch noch nie so gestresst wie heute. Die Anforderungen, die die Schule, das ambitionierte Elternhaus oder der Kreis der Freunde und Klassenkameraden an sie stellen, waren noch nie so groß. Die Folge: Stress! Leistungsanforderungen machen Stress. Für das mit Leistungsanforderungen unerfahrene Kind noch mehr als für abgeklärte Erwachsene. Und Stress ist langfristig tödlich: Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt. Und noch vieles mehr. Die Resistenz dagegen muss bereits in der Kindheit aufgebaut werden. Und nachweislich sind die Resistenzfaktoren heute schwächer geworden als noch vor 10 oder 20 Jahren. Aber erkennen wir das überhaupt, wenn ein Kind Stress hat? Es ist schwierig. Es gibt schon Zeichen –  wie Rückzug, Gereiztheit, Kopfschmerzen, andere körperliche Symptome oder Schlafstörungen, aber diese können natürlich auch andere Gründe haben. Und viele Kinder erleben ihr Leben einfach als normal, auch wenn es hohe Stresslevel hat. …

Die 1000 Tage, die die Weichen für das ganze Leben stellen!

Die ersten 1000 Tage entscheiden über fast alles. Von der Befruchtung der Eizelle bis etwa zum Alter von 2,5 Jahren. Nicht nur angeborene Fehlbildungen oder Geburtsstörungen fallen in diese Zeit, sondern auch die wichtige Zeit der frühkindlichen Entwicklung. Da werden viele psychologische Faktoren geprägt, die mit entscheidend sind für den späteren Charakter und wichtige psychologische Eigenschaften wie die Fähigkeit zu genießen. Aber eben im Sinne des “Biological Programming” auch organische Faktoren geprägt. Zum Beispiel zeigt sich, dass die Abwesenheit von körperlichem und psychischem Stress für das Kind zu stabileren Persönlichkeiten führt als wenn Krankheiten oder große Unruhe und vor allem fehlende Nähe dem Kind Stress machen. Die Stressforschung hat gezeigt, dass Kinder, die in den ersten 1000 Tagen in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt sind, nicht die gleiche Stressresistenz aufbauen wie unbeeinträchtigte Babys. Und das wiederum ist langfristig sogar mit körperlichen Risiken verbunden. Zum Beispiel tritt dann im Laufe des Lebens häufiger Übergewicht oder Bluthochdruck auf und auch die Rate an Schlaganfällen oder Herzinfarkten ist erhöht.

Brauchen Säuglinge eine Vitamin D-Prophylaxe?

Häufig werden die Kinderärzte gefragt, ob Säuglinge wirklich täglich eine Vitamin D-Tablette bekommen sollten. Und ja, dies ist dringend anzuraten. Vitamin D ist für die Regulation des Calcium- und Phosphathaushaltes verantwortlich. Es bewirkt die Härtung der kindlichen Knochen. Vitamin D wird über die Nahrung zugeführt und unter Sonnenbestrahlung in der Haut gebildet. Da Säuglinge durch die Nahrung nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt sind und generell der Sonne nicht direkt ausgesetzt werden dürfen, empfiehlt das Netzwerk “Gesund ins Leben” (eine Initiative des Bundesgesundheitsministeriums, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und des Forschungsinstituts für Kinderernährung) die Gabe von 400-500IE Vitamin D pro Tag für das erste Lebensjahr. Bei einem Geburtstermin im Winter sollte die Gabe bis zum zweiten erlebten Sommer des Kindes, also bis zu 1,5 Jahren, erfolgen. Eine Überdosierung ist mit der empfohlenen Dosis nicht möglich. Vitamin D-Mangel macht sich als Rachitis mit Knochenverformungen, Muskelschwäche und Infektneigung bemerkbar. Es kann auch zu Krampfanfällen kommen. Wir als Kinderärzte haben wiederholt erlebt, dass die fehlende Prophylaxe mit Vitamin D (aus welchen …

Rauchverbot bei Autofahrt mit Kindern

Die Bundesärztekammer fordert ein Rauchverbot in Autos, wenn Kinder mitfahren. Mit gutem Grund: Die Schadstoffbelastung ist in einem verrauchten PKW höher als in einer verrauchten Bar! Wir können uns dieser Forderung der Bundesärztekammer nur anschliessen. Die Kinder können ja nicht wählen, welche Luft sie atmen, müssen die Folgen aber am eigenen Leib ertragen. Ihre Eltern haben dagegen eine Entscheidungsmöglichkeit. Etliche Länder wie England, Südafrika und Frankreich, aber auch Teile der USA und Australiens haben solch ein Rauchverbot in Autos, in denen Kinder mitfahren, verhängt. Kinder werden durch Passivrauchen – wo auch immer es stattfindet – erwiesenermaßen krank. Zum Schutz der Kinder wäre ein solcher Schritt des Gesetzgebers in der BRD, Rauchen im Auto in Anwesenheit von Kindern zu verbieten, darum nur wünschenswert. Die in einem früheren Beitrag dargestellten Zahlen bzgl. der positiven Folgen des Rauchverbotes für Kinder in Großbritannien sprechen eine deutliche Sprache: Das Rauchverbot führte klar zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation der britischen Kinder. Auch ohne ein entsprechendes Gesetz würden die Kinderärzte es so formulieren: Rauchen im Auto, wenn Kinder mitfahren, sollte für alle Eltern und betreuenden Personen selbstverständlich ein klares NoGo sein. …

Tipp der Woche – Kochen mit Kindern

Ein wenig Reis, Schinkensahnesoße, Gurken, Tomaten und Schnittlauch – mehr brauchen Sie nicht. Den Reis mit einem Schöpflöffel und einem Kaffee-Abmesslöffelchen formen, die Soße-Wolken hinkleckern, die Gurken und die Tomaten legen: fertig ist der bunte Kinderteller. Diesen hat übrigens ein 9jähriges Kind gestaltet, es ist also auch für ein Kind selber zu schaffen. Und das Gemüse zu schneiden und zu legen fördert auch schon wieder die Motorik und mathematisches Denken. Wie auch immer, jetzt erstmal guten Appetit!

Tschüß, Fernseher, wir sind dann mal weg…!

Die Kinderärzte berichten kurz über die miniKIM2014-Studie, in der der Medienkonsum von Kleinkindern erfasst wurde. Diesen Daten zufolge sitzen Kinder zwischen 2 und 3 Jahren durchschnittlich 34 Minuten täglich vor dem Fernseher, die 4- bis 5-Jährigen schauen etwa 52 Minuten pro Tag fern. Dazu kommt noch die – allerdings deutlich kürzere – Zeit, die mit Computerspielen, Konsolen, Handys oder Tablets verbracht wird. Die Kinderärzte meinen: Dies ist im Kleinkindalter eindeutig zuviel für einen durchschnittlichen täglichen Gebrauch. Eine bessere Botschaft: Die 2- bis 3-Jährigen beschäftigen sich immerhin zu 43% jeden Tag mit einem Buch, meist mit Bauernhof- und Tiergeschichten. Wir meinen allerdings, dass das durchaus noch ausbaufähig ist! Die Förderung durch geeignete Spielmaterialien wie Bücher, Puzzles und vieles andere sowie die direkte aktive Beschäftigung mit dem Erwachsenen oder einem anderen Kind ist bei so kleinen Kindern sicher deutlich wertvoller als der sehr passive Mediengebrauch. Zudem kann der Mediengebrauch schließlich auch negative Auswirkungen haben für die kindliche Entwicklung. Darum der Rat: Glotze aus, Handy daheim lassen und auf zum Spielplatz, in den Garten, zum Vorlesen oder an …

Deo-Sprays: Der Rausch aus dem Supermarkt

Für viele Eltern kommt irgendwann unweigerlich der Moment, in dem sie die Badezimmertür öffnen und zurückprallen. Grund dafür ist eine scheinbare Wand aus deo-geschwängerter Luft, die die Auswüchse des neuen Interesses ihres Kindes in Bezug auf Körperhygiene am Beginn der Pubertät dokumentiert. Das Phänomen ist in der Regel von recht kurzer Dauer und der Deo-Gebrauch nimmt dann normale Formen an. Sollten Eltern jedoch bemerken, dass Kinder über einen längeren Zeitraum häufig Deos kaufen, auffällig viele leere Dosen im Müll zu finden sind oder verstärkter Geruch im Kinderzimmer festzustellen ist, ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Immer wieder kommt es nämlich vor, dass Kinder und Jugendliche Deos zum Schnüffeln – also als Droge – missbrauchen. Deo-Sprays wirken, wenn die Substanz inhaliert wird, berauschend. Zunächst gibt es einen kurzen Erregungszustand mit Euphorie, danach kommt es jedoch zu Bewusstseinsstörungen, Halluzinationen oder sogar zur Bewusstlosigkeit. Auch Todesfälle sind dokumentiert, da die giftige Stoffe einen Ausfall des Atemzentrums auslösen können oder den Sauerstofftransport ins Blut einschränken. Ähnlich wie beim Alkoholrausch besteht die Gefahr, an Erbrochenem zu ersticken. Bisher bezogen sich die Ausführungen …

Kinder mögen’s bunt – Stimmt so nicht immer!

“Dein Kind – das widersprüchliche Wesen” (frei nach einem Film aus den Siebzigern): Regelmäßig wird die Widersprüchlichkeit der Kinder am Esstisch sichtbar. Während Spielzeug gar nicht bunt und knallig genug sein kann, sollen insbesondere die warmen Mahlzeiten so bleich wie möglich daherkommen. Deshalb lautet die mitunter lautstarke Parole des Nachwuchses wahlweise: Nudeln (bloß nicht “tricolore”) ohne Soße, Reis ohne Soße, Spätzle ohne Soße oder auch Kloß ohne Soße! Jeden Erwachsenen gruselt es wohl schon bei dem Gedanken, diese Speisen trocken hinunterwürgen zu sollen. Eine weitere Möglichkeit, etwas Farbe auf den Teller zu bringen, würde theoretisch Gemüse darstellen. Hierzu findet man in wohlmeinenden Ratgebern immer wieder den Tipp: “Lassen Sie die Kinder bei der Zubereitung helfen, dann werden sie sich freudestrahlend auf das bunte Allerlei stürzen.” Denkste! Die Möhrchen werden von den Nachwuchsköchen liebevoll geschält, geschnippelt, mit dem Spielzeugbagger auf den Laster, mit dem Laster über die aus Legosteinen konstruierte Brücke – die ganz nebenbei bemerkt eine architektonische Meisterleistung darstellt – in die Schüssel und dann (natürlich unter elterlicher Aufsicht) in den Kochtopf manövriert. Damit endet aber – entgegen der Expertenmeinung – die Freundschaft mit den Möhrchen. Keinesfalls darf etwas derartig Buntes das zarte Weiß der Nudeln verschandeln. Und noch weniger darf versucht werden, es mit dem Löffel seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen. Eine Meuterei wäre unvermeidbar. Gleiches gilt übrigens auch für optisch so Ansprechendes wie Paprika (immerhin in vier knalligen Farben erhältlich), Erbsen, Zucchini oder Tomaten (auf die wird später nochmals zurückzukommen sein). Vielleicht hätte man ja eine Chance mit Blumenkohl. Den könnte man immerhin farblich getarnt zwischen Reis und Nudeln …

Baby isst bei Mama und Papa mit

Ab wann darf Baby nun bei Mama und Papa direkt vom Tisch mitessen – diese Frage wird oft gestellt und auch unter den Experten kontrovers diskutiert. Seit einiger Zeit gibt es den Trend, Babys immer früher mit vom Tisch essen zu lassen. “Baby-led-weaning” (kurz BLW) heißt das Ganze und wird seit einigen Jahren propagiert, z.B. von der ehemaligen Unicef-Mitarbeiterin Gill Rapley. Tatsächlich bestätigen erste Studien, dass durch das frühe Mitessen vom Tisch Übergewicht vorgebeugt wird und der Sättigungsmechanismus besser funktioniert, weil die Kinder verschiedene Konsistenzen und Aromen frühzeitig kennen lernen. Allerdings gibt es auch Studien, die keine Unterschiede fanden. Es gibt auch Hinweise, dass die Kinder weniger mäkelig beim Essen sind, wenn sie frühzeitig bei den Eltern mitessen, sodass BLW vielleicht auch zur Akzeptanz von mehr Nahrungssmitteln durch die Kinder führt – Stichwort: “Mein Kind isst nur blanke Nudeln!” Insgesamt ist die Sachlage laut dem Forschungsinstitut für Kinderernährung noch unklar, so dass es noch keine Empfehlung zu BLW gibt. Ein zu später Beikoststart ist jedenfalls nicht günstig. Bereits vor dem eigenen Bewältigen des Essvorgangs und …

Burnout – kein Erwachsenen-Phänomen

Mag man Burnout gemeinhin als eine psychische Erkrankung, die bei gestressten Erwachsenen auftreten kann, sehen, so ist leider festzustellen, dass “Burnout bei unseren Kindern angekommen ist.” (Prof.Dr. M. Schulte-Markwort) Zu diesem Thema wurde kürzlich die repräsentative Studie “Burn-Out im Kinderzimmer. Wie gestresst sind Kinder und Jugendliche in Deutschland?” der Universität Bielefeld vorgestellt. Die Besonderheit der Studie besteht darin, dass sie den Stress aus der Sicht der Betroffenen, also der Kinder, erfasst. Dabei wurden erschreckende Ergebnisse gewonnen. So leiden fast 20% der befragten Kinder und Jugendlichen unter hohem Stress, wobei aber 87,3% der Eltern der betroffenen Kinder nicht glauben, dass sie diese überfordern. Ca. 50% der Eltern befürchten sogar, ihre Kinder nicht genug zu fördern. Aus dieser Diskrepanz entstehen für die Kinder große Probleme. Als einen wichtigen Stressfaktor macht die Studie nämlich die Anzahl der Termine, die die Kinder neben der Schule zu absolvieren haben und die ihnen oftmals (86%) keinen Spaß machen, aus. Ergänzend kommt hinzu, dass Kinder häufig durch Aufgaben im Haushalt, die nicht altersgemäß sind (z.B. Organisation des Haushalts), belastet werden. Den Kindern …