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Artikel zu kindermedizinischen Themen.

Nesselsucht – es fühlt sich an wie tausend Mückenstiche!

Simon, 6 Jahre, kommt zu einem Notfalltermin in die Praxis – und ist völlig beschwerdefrei. Er und seine Mutter berichten aber völlig glaubhaft, dass Simon, bevor er mit seiner Mutter zur Praxis aufgebrochen war, ausgesehen habe, als sei er in die Brennnesseln gefallen. Die Haut habe furchtbar gejuckt – wie tausend Mückenstiche. Mit dem Handybild und Simons Schilderung wird klar: Simon hat eine Nesselsucht. Er und seine Mutter erfahren, dass diese Erkrankung oft ohne Allergie entsteht und zum Beispiel als Reaktion auf einen Infekt auftreten kann. Auch bestimmte Medikamente, Kälte, Wärme, Druck oder Süß- und Konservierungs- sowie Farbstoffe können Auslöser für die Hautquaddeln sein. Meist ist die Nesselsucht bei den Kindern nach einigen Tagen oder Wochen wieder abgeklungen, kann aber auch wieder einmal auftreten. Die chronische, länger als 6- 8 Wochen auftretende Nesselsucht ist sehr viel seltener. Hier ist eine Abklärung nötig. Dennoch kann ein Auslöser nicht immer gefunden werden. Simon hatte über zwei Wochen hinweg immer wieder Syptome. Das Medikament, das wir verschrieben hatten, ein sogenanntes Antihistaminikum, half ihm jedoch über die Zeit hinweg. …

Spielen im Freien beugt Sehfehler vor!

In einer vielbeachteten chinesischen Studie konnte nachgewiesen werden, dass das Spielen im Freien neben vielen anderen Vorteilen auch vor Kurzsichtigkeit schützt. Ursache dafür ist offensichtlich die höhere Lichtintensität. Denn auch bei grauem Himmel kommt im Freien immer noch viel mehr Licht an die Augen als bei gewöhnlicher elektrischer Beleuchtung im Inneren eines Hauses. Andere Vorteile des Spielens im Freien sind ja bekannt: die Kinder bekommen draußen mehr Bewegung (die wiederum fit hält und sich günstig auf Normalgewicht auswirkt) und auch eine bessere Stimmung. Licht ist ja auch für das psychische Wohlbefinden wichtig und das gerade in der dunklen Jahreshälfte. Unser Tipp: Gerade auch in der dunklen Jahreszeit viel raus! Und dafür notfalls die Hausaufgaben mal später machen, wenn es eh schon dunkel ist. Quelle: He, Mingguang et al.

Was ist Ihre Meinung?

Aktuell läuft eine Debatte über das frühzeitige, routinemäßige Screening Schwangerer hinsichtlich eines Down-Syndroms beim Ungeborenen und ob dieser Test von den Krankenkassen bezahlt werden soll. Durch eine Blutentnahme bei der Mutter kann eine Trisomie des Kindes festgestellt werden. Viele Fragen wirft dieses Thema auf, für den einzelnen, aber auch für die gesamte Gesellschaft und das Gesundheitssystem. Der positive Test führt zu Wissen. Das Ergebnis eröffnet aber keine Behandlungsoption, sondern nur die Möglichkeit zu einer Entscheidung bezüglich eines Schwangerschaftsabbruchs. Der Test gibt auch keine Aussagen über Komplikationen oder tatsächlich vorliegende Erkrankungen wie etwa Herzfehler. Auf der einen Seite: Kinder mit Erkrankungen oder Behinderungen stellen Eltern vor große Herausforderungen. Kinder mit Trisomie 21 fordern viel Betreuung, Zeit und Aufwand. Die Kinder haben ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten. Keine Frage. Und ja: Über die Entscheidungen betroffener Schwangerer bzw. Eltern sollten Außenstehende nicht urteilen. Auf der anderen Seite sehen wir in der Praxis viele Kinder mit Downsyndrom – Kinder, die ihr Leben lieben wie jedes andere Kind auch. Kinder, die genauso Lebensqualität empfinden wie jeder andere Mensch und …

Zeit für Immuntherapie der Pollenallergien

Was tun bei Heuschnupfen oder Asthma, wenn es mit Pollenallergie verbunden ist? Es gibt natürlich auch antiallergische Medikamente. Aber diese heilen die Allergie und das Asthma nicht. Der einzige Weg, eine Allergie zu heilen, ist die sogenannte spezifische Immuntherapie. Früher bekannt unter „Hyposensibilisierung“. Dies kann man mit gutem Erfolg durchführen bei Pollen-Allergie, vor allem bei Baumpollenallergie (Birke, Hasel, Erle) oder bei Gräserpollenallergie. Auch gegen Hausstaubmilben kann eine solche Immuntherapie durchgeführt werden. Idealer Zeitpunkt für den Beginn der spezifischen Immuntherapie gegen Pollenallergie ist der Herbst nach weitest gehendem Abklingen des Pollenfluges. Was wird gemacht? Dem Körper werden die Pollenbestandteile, die für die Allergie relevant sind, in ansteigender Dosierung gespritzt. Somit hat der Körper die Chance, sich an die Allergene zu gewöhnen. Es gibt auch die Möglichkeit, mit einer Tropflösung unter die Zunge zu tropfen. Die Erfolge sind aber schlechter als die Erfolge bei der Spritzen-Variante – bei Kindern nicht einmal halb so gut. Verhältnismäßig guten Erfolg hat dagegen aber die Allergietablette gegen Gräserpollen. Bei der Entscheidung für oder gegen eine solche Therapie muss allerdings berücksichtigt werden, …

ADHS-Statistik – zappeln die Kinder wirklich häufiger?

Für Betroffene ist es eine echte Erkrankung mit zum Teil hohem Leidensdruck: Das Zappelphilipp-Syndrom, kurz ADHS. Eine neue Untersuchung der Barmer Krankenkasse kommt zu dem Schluss, dass die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen zwischen 2011 und 2014 um 11,4% gestiegen ist. Laut den Daten sollen damit schätzungsweise 808000 Menschen in Deutschland an ADHS leiden, die Zahl der betroffenen Kinder wird mit ca. 635000 angegeben. Den Anstieg der Erkrankungsfälle erklärt die Barmer mit der zunehmenden Diagnosestellung bei älteren Jugendlichen. Etwa 330000 Patienten bekamen eine medikamentöse Therapie, mit sinkender Zahl bei den unter 15-Jährigen, allerdings steigender Anzahl bei den älteren Patienten. Auffallend ist auch das regional unterschiedliche Ausmaß der Diagnosestellung. Alles zunächst einmal Statistik. Andererseits muss vor dem Hintergrund dieser Zahlen von Seiten der Fachleute, der Gesellschaft und der Politik auch einiges überlegt werden: Warum entwickeln sich diese Zahlen so, was sind die Kriterien der Diagnosestellung oder was begünstigt die Entwicklung eines ADHS und wie ist darauf zu reagieren? Das Ritalinraumspray an Schulen einzuführen – überspitzt formuliert – kann wohl kaum die Lösung sein.

Pucken und Hüfte

Nicht wenige Eltern schwören auf das Pucken. Die Idee hinter dem Pucken, also dem festen Einwickeln der Säuglinge mit Tüchern, Pucksäcken oder Ähnlichem, ist, den Kindern eine feste spürbare Begrenzung zu geben. Die Methode wird kontrovers diskutiert, da es positive, aber auch kritisch zu bewertende Aspekte wie die Gefahr der Überhitzung oder das möglicherweise erhöhte Risiko für den plötzlichen Kindstod gibt. Aus orthopädischer Sicht ist vor allem die ungünstige Einstellung der Hüfte zu erwähnen. Mehrere Studien aus verschiedenen Ländern wie Kanada, Türkei, Japan oder Australien zeigen eine Erhöhung des Risikos, eine Schädigung der Hüfte (die sogenannte Hüftdysplasie) zu verursachen. Natürlich ist auch der unterschiedliche ethnische Hintergrund bei diesen Studienergebnissen zu bedenken. Alle Babys erhalten in der BRD bei der Vorsorge U3 eine Ultraschalluntersuchung der Hüfte, um Hüftprobleme auszuschließen. Aber das Hüftgelenk kann durch eine ungünstige Stellung auch später Probleme entwickeln. Darum sollten Eltern, die ihr Kind pucken wollen, bei der Wickeltechnik die Beinfreiheit beachten. Die Beine sollen nicht gestreckt sein! Eine hüftfreundliche Alternative anstelle des Puckens sind Tragetücher. In Kulturen, die Tragetücher verwenden, sind Hüftprobleme …

Schnullis ablecken – oder nicht?

Das kennen Sie sicher – der Schnuller fällt auf den Boden, Papa oder Mama heben ihn auf, lecken ihn ab und Baby hat ihn flugs wieder im Mund. Viele Generationen hörten dazu: “Das ist ganz schädlich!” – aber stimmt das? Das Thema wird von den Fachleuten kontrovers diskutiert. Lange wurde von dem Ablecken dringend abgeraten, da das Kariesrisiko sich erhöhen könnte. Sicher ist, dass Eltern Karieskeime über den Schnuller übertragen können. Eventuell ist aber eher die unbehandelte Karies des Elternteils Ausdruck eigener mangelnder Mundhygiene und nachfolgend die Mundhygiene beim Kind eben auch nicht gut. Es gibt Studien, die verschiedenste Faktoren für das Kariesrisiko der Kinder untersuchten. Allen voran erhöhte sich das Risiko für Zahnfäule durch Fläschchen zum Einschlafen und eine mangelnde Mundhygiene beim Kind, zudem durch zuckerhaltige Getränke. Der abgeleckte Löffel oder Schnuller tauchen in diesen Risikolisten nicht auf! Es existieren andererseits gute Daten, die zeigen, dass der Kontakt mit elterlichem Speichel allergischen Erkrankungen vorbeugt! Dies wäre eine Parallele zu dem Schutzeffekt gegenüber Allergien, den der Kontakt mit vaginalen Keimen bei einer natürlichen Geburt für …

Achtung Salmonellen

Nun ist sie da, die herrliche Sommerzeit mit den gerade auch von Kindern geliebten Grillfeiern und Gartenfesten. Wunderbar – aber Achtung bei Produkten wie Kartoffelsalat, Erdnussbutter oder Tiramisu. Sie können Salmonellen enthalten, insbesondere, wenn die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen – v.a. die Einhaltung der Kühlkette und ausreichend starkes und langes Erhitzen – nicht eingehalten werden. Denken Sie auch an die Vermeidung von Schmierinfektionen: das Messer, mit dem das Hähnchen bearbeitet wurde, darf natürlich nicht direkt zum Salatschneiden weiterverwendet werden. Salmonellen verursachen nach Noroviren, Campylobacter und Rotaviren mit am häufigsten Durchfallerkrankungen in Deutschland. Im Sommer tritt die Erkrankung gehäuft auf. Meist infiziert man sich über Lebensmittel wie Eier und rohe Schweinefleischprodukte. Aber man kann sich mit Salmonellen auch bei lebenden Tieren anstecken. Problematisch wird es, wenn die Salmonellen in eher unverdächtigen Lebensmitteln lauern, zum Beispiel in Gewürzen oder Schokolade, was durch Schmierinfektionen sehr wohl vorkommen kann. Die Ansteckungszeit beträgt einige Stunden bis 3 Tage. Die Krankheitszeichen sind starker Durchfall, Erbrechen, Bauch- und Kopfschmerzen und mitunter auch Fieber. Trotz allem – wir wünschen eine tolle Grillparty! Denken Sie aber …

Spucke bei juckenden Mückenstichen?

Alle Jahre wieder – der Sommer kommt, die Mücken summen und pieken, und instinktiv stecken die Kinder den Zeigefinger in den Mund und reiben den Stich mit Spucke ein. Richtig oder falsch? Das ist in Ordnung! Die Verdunstungskälte kühlt den Stich und Speichel enthält tatsächlich verschiedene positive Substanzen, darunter auch in minimaler Dosierung eine Art “Schmerzmittel”. Insofern machen die Kinder nichts falsch. Sie kratzen etwas weniger, und unaufgekratzt heilen die Stiche schneller ab und infizieren sich nicht. Dennoch kann man natürlich mit anderen Maßnahmen doch noch effektiver helfen. Eventuell hat man beispielsweise eines der allseits bekannten Gels, ein Coldpack oder einen “Sticheheiler” zur Hand. Das sind kleine Geräte, beispielsweise in Mausform, die durch lokale Erhitzung das Mückengift denaturieren und den Stich schneller abklingen lassen. Jedenfalls sollte man etwas tun. Denn lästig sind die Stiche ja allemal und die Kinder leiden häufig wirklich unter dem starken Juckreiz!

Gelassenes Zuwarten

Leni kommt wegen eines akuten Infektes der oberen Luftwege, der seit einigen Tagen besteht, zum Arzt. Seit 4 Tagen hat das Kind hohes Fieber. Der Kinderarzt findet nur Zeichen für einen vitalen Infekt, er verschreibt kein Antibiotikum. Lenis Mutter zweifelt zunächst, ob dies die richtige Entscheidung ist. Nach 2 Tagen sinkt jedoch das Fieber, dem Kind geht es besser, das Zuwarten war auch rückblickend richtig. Hätte der Doktor das Antibiotikum allerdings doch verschrieben, hätten Lenis Eltern die Entfieberung wohl auf die Wirkung des Medikaments zurückgeführt – verständlich, aber fälschlicherweise. Wir Menschen nehmen einen zeitlichen Zusammenhang meist auch als ursächlichen Zusammenhang wahr. Das ist aber natürlich nicht immer richtig. Außerdem ist gerade in der Medizin Aktionismus nicht angebracht. Die Wirkung therapeutischer Maßnahmen oder von Medikamenten wird oft überschätzt, das belegen zahlreiche Studien. Man spricht auch von therapeutischer Illusion. Insofern ist der Rat zum Abwarten mit Augenmaß bei einem erfahrenen Arzt durchaus auch Zeichen einer guten Behandlung! Man darf und soll auch der Natur und den Selbstheilungskräften vertrauen. In der Kinderheilkunde mit ein erzieherisch wichtiger Aspekt hinzu, …